Das war die AK Biogas Exkursion 2024
Von 11. bis 13. Juni fand unsere diesjährige AK Biogas Exkursion statt. Dieses Jahr führte uns die Reise von Schlitters in Tirol bis in den Süden rund um Bozen. 30 TeilnehmerInnen aus ganz Österreich erlebten viele spannende Details und Innovationen rund um das Thema Biogas und Wasserstoff in Südtirol. Schwerpunkt unserer Destinationen waren die Wirtschaftsdünger- und Abfallvergärung, die Nährstoffrückgewinnung bzw. Methan- und CO2-Verflüssigung, sowie die Wasserstoffproduktion und -speicherung.
Tag 1 – 11.06.2024
Start der 3-tägigen Fachexkursion war bei der Bioenergie Schlitters GmbH nähe Jenbach in Tirol. Dort werden mit eigenen LKWs (3 davon gasbetrieben) Speisereste, Altfette und andere organische Rohstoffe aus der Umgebung gesammelt und zur Biogasanlage für die anaerobe Verwertung geliefert. In Summe werden so rund 10.000 Tonnen an organischem Material verarbeitet. Nach Anlieferung der Abfälle werden Störstoffe aussortiert und die Suspension mittels Wärmetauscher bei 80°C hygienisiert. Nach der Hygienisierung werden die Stoffe weiter in den Fermenter gepumpt. Das dort entstehende Biogas wird entweder direkt dem 350 kWel starken Blockheizkraftwerk (BHKW) zugeführt oder mittels PSA-(Pressure Swing Adsorption)-Verfahren zu Biomethan aufgereinigt und dem Erdgasnetz der TIGAS eingespeist bzw. mittels Direktleitung zur nahegelegenen Gastankstelle geliefert.
Im Anschluss ging es mit dem Reisebus weiter über den Brenner bis nach Sterzing in Südtirol. Dort erwartete uns Manfred Gius, Geschäftsführer der Biogas Wipptal GmbH.
Der Biogasanlagenbetrieb im Wipptal wurde 2008 von Landwirten gegründet. Der Hauptgrund für die Errichtung der Anlage war Boden- und Umweltschutz aufgrund der steigenden Nitratbelastung im durch die Milchwirtschaft geprägten Gebiet. Die erste Ausbaustufe wurde 2016 mit der Erweiterung eines BHKWs (Leistung von 1 MW, ausgebaut auf 2,4 MW) vollendet. Durch das Fehlen einer Förderung musste umdisponiert werden, wodurch im zweiten Schritt eine LNG-Verflüssigung (4.000 t/a) samt CO2-Aufbereitung (7.000 t/a) mit Inbetriebnahme 2023 aufgebaut wurde. Die beiden Produkte sind auch die Haupteinnahmequellen des Betriebes. Der Betrieb sammelt Mist und Gülle von den Landwirten im gesamten Wipptal ein (rund 150.000 t/a, 40% Mist, 60% Gülle). Dies ist für die Landwirte kostenlos, dafür wird das Material nicht vergütet. Auf Wunsch werden die Gärreste ebenfalls kostenlos zurückgeführt. Somit entsteht ein gegenseitiger Austausch. Nach der Fermentation (8 Fermenter zu je 3.000 m3, 60 Tage Lagerzeit) wird aus dem entstandenen Biogas durch Aufreinigung das Biomethan (55 %) vom CO2 (45 %) getrennt. Das Biomethan (Reinheit 97 %) wird weiter zu Bio-LNG (Verflüssigung bei -155° C) verarbeitet und vordergründig dem Schwerlastverkehr zur Verfügung gestellt. Dass die Transportbranche eine Zukunft in LNG sieht, bestätigen die Beteiligungen namhafter Unternehmen an der Biogas Wipptal GmbH. Das zweite Standbein CO2 wird zum Beispiel von der Lebensmittelindustrie, wie Fleisch- und Bierproduzenten, nachgefragt. Die Preise liegen je nach Qualität zwischen 50 und 100 Euro/t. Die dritte Produktschiene stellt der entstehende Dünger dar, welcher durch die Aufbereitung des Gärrestes weiter veredelt wird. Der Betrieb produziert jährlich 30.000 t Flüssigkonzentrat und 4.000 t Pelletsdünger pro Jahr.
Tag 2 – 12.06.2024
Am nächsten Tag setzte sich unsere Reise fort und wir besuchten das „technologische Wunder im Berg“, die Abwasserreinigungsanlage Tobl im Pustertal. Die Kläranlage befindet sich in einem 400 m langen Stollen, der einer Faulgas-, Trocknungs- und Verbrennungsanlage folgt. An diesem Standort werden 45% des Klärschlamms Südtirols verarbeitet. Täglich fallen 1.000 m3 Rohschlamm an, die in die beiden Faulbehältern (2.000 m3 Nutzvolumen) weitergeleitet werden (20 Tage Faulzeit). Die Umwälzung erfolgt durch Gaseinpressung. Der Ringmembrangasspeicher (40 mbar) hat ein Nutzvolumen von 1.500 m3. Das Gas kommt zuletzt in die drei Gasmotoren zu je 330 kWel-Leistung. Der Betrieb erzeugt rund 5,7 Mio. kWh Strom und verbraucht rund 6,7 Mio. kWh. Allein die Lüftungsanlage des Stollens benötigt rund 1 Mio. kWh. Der Klärschlamm kommt in einen Bandtrockner und danach in eine Drehtrommelpyrolyse, wo das Material verbrannt wird. Die Wärmeenergie wird für die Trocknung wiederverwendet.
Gleich im Anschluss an die Kläranlage ging es zu Fuß weiter zur benachbarten Bioenergie St. Lorenzen. Die dortige Biogasanlage wird vorwiegend mit Wirtschaftsdüngern und landwirtschaftlichen Nebenprodukten betrieben und hat sich auf die Optimierung von Gülle-Logistik und -Ausbringung spezialisiert. Der Betreib, welcher über ein 1 MWel BHKW verfügt, konnte über 25 Jahre lang mit einem Stromeinspeisetarif von 28 Cent/kWh sehr erfolgreich wirtschaften. Nun ist der Tarif ist jedoch ausgelaufen und dadurch stehen die rund 100 Genossenschafter, die die Anlage betreiben, unter Zugzwang. Die italienischen Behörden haben einen zweijährigen „Zwischentarif“ mit Ende Juni in der Höhe von 23 Cent/kWh angekündigt den der Betrieb zunächst nutzen will. In der Zwischenzeit will man auf die Methanaufbereitung bzw. Methaneinspeisung in das nahegelegene Netz umsteigen. Ferner soll in eine Hackschnitzel-Heizung investiert werden. Auch Überlegungen, in die Wasserstoffproduktion einzusteigen, sind vorhanden.
Am Nachmittag setzten wir unsere Reise zur Biogasanlage in Terenten fort. Auch bei dieser Gemeinschaftsanlage mit über 30 Mitgliedern sind die geförderten Einspeisetarife bereits ausgelaufen. Hier jedoch hat sich die die Option der Methaneinspeisung als nicht realisierbar dargestellt. Der Betrieb steht dafür auf einem zu abgelegenen Ort. Hinzu kommen außerordentliche Belastungen aus der Corona-Zeit, wo aufgrund eines Gebrechens die Anlage mehrere Monate stillstehen musste. Ferner besteht zur Gemeinde eine Fernwärmeleitung, welche die Genossenschaft weiterhin betreiben möchte. Eine direkt angrenzende Holzvergaser-Anlage, die von anderen Betreibern eröffnet wurde und die Fernwärmebereitstellung unterstützen sollte, ist kurz nach Inbetriebnahme bereits insolvent. Es liegt daher eine herausfordernde Situation für den Genossenschaftspräsidenten und Bürgermeister von Terenten, Reinhold Weger, vor. Einen Ausweg aus der verzwickten Situation sieht man in der zukünftigen Herstellung von Wasserstoff. Dieser soll mittels Dampfreformierung aus dem Biogas produziert werden. Als Treiber des Vorhabens werden die olympischen Spiele 2026 genannt, die in Südtirol stattfinden. Es wurde angekündigt, dass sich die Region als „Wasserstoff-Musterschüler“ präsentieren möchte und dadurch Förderungen in Aussicht gestellt werden. Der Betrieb ist schon in der Bewilligungsphase und möchte im Frühjahr mit den Bauarbeiten beginnen. 5 Mio. Euro sollen investiert und 80 t Wasserstoff im Jahr produziert werden.
Tag 3 – 13.06.2024
Am letzten Tag unserer Reise besichtigten wir gleich nach Abreise aus unserem Hotel das Wasserstoff-Demonstrationszentrum IIT Hydrogen in Bozen. Im Jahr 2014 wurde es in Kooperation zwischen der Brennerautobahn AG und der Autonomen Provinz Bozen errichtet – mit dem Ziel Wasserstoff zu produzieren und eine Tankstelle in Bozen zu betreiben. Es werden aber auch Forschungsprojekte und Beratungstätigkeiten durchgeführt. Am Standort produzieren drei Elektrolyseure (je 400 kWel) Wasserstoff. Die derzeitige maximale Produktionskapazität beträgt 180 Nm3 Wasserstoff pro Stunde. Dieser wird in Flaschen und Trailern zwischengelagert. Eingesetzt wird der Wasserstoff im Busverkehr von Bozen. Zur Zeit sind 12 Busse im Betrieb. Bis 2030 soll die Anzahl auf 120 steigen. Die Geschäftsführung ist vom Nutzen des Wasserstoffs für die Energiewende überzeugt – vor allem in der Mobilität, speziell für den Schwerlastverkehr bzw. als Treibstoff für Busse. Bis der Wasserstoff breit zum Einsatz kommt, müsse aber noch einiges geschehen. Nachteile sind der schlechte Wirkungsgrad von 30 % und das Fehlen eines Tankstellennetzes. Für die Produktion von einem Kilogramm Wasserstoff werden 60 kWh Strom benötigt. Der Energiegehalt des Kilos beträgt rund 30 kWh. Einen Preis von rund 7 Euro/kg Wasserstoff sieht der dortige Geschäftsführer, Claudio Vitalini, als wettbewerbsfähig an. Im Augenblick wird Wasserstoff vom Betrieb um 15 Euro/kg verkauft.
In diesem Sinne möchten wir uns nochmals herzlich bei allen Anlagen für den Besuch und die Unterstützung und bei allen TeilnehmerInnen für das Interesse bedanken! Wir freuen uns bereits auf die nächste AK Biogas Exkursion und hoffen abermals auf zahlreiche Teilnahme.
Bildquelle: Antonio Fuljetic (ÖBMV)
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