Kompostentstehung/Prozess

Die bei der Kompostierung ablaufenden biochemischen Abbaumechanismen sind von verschiedenen Faktoren abhängig. Sie bestimmen in ihrer Relation zueinander nicht nur den Umfang des Abbaus an organischer Substanz, sondern auch die mikrobielle Aktivität, welche sich u. a. im Gasaustausch und in der thermischen Leistung widerspiegelt.

Die Kenntnis der sukzessiv verlaufenden bio-chemischen Prozesse im Zuge des Ab- und Umbaus der organischen Substanzen ist eine Grundvoraussetzung für eine gezielte Steuerung bzw. Regelung des Prozessablaufes in der Kompostierung. Zur Abgrenzung von anaeroben Fermentationsprozessen, die in der Biogaserzeugung genutzt werden, ist die aerobe und anaerobe biochemische Basisumwandlung von Glukose dargestellt. Theoretisch resultiert in beiden Prozessen die gleiche Energiemenge von 2803 kJ. Ebenso wird in Summe (nach Verbrennung des CH4) die gleiche Menge CO2 freigesetzt (ÖWAV, 2004[A13]:

 

AEROBER ABBAUC6H12O6 + 6 O2 > 6 CO2 + 6 H2O
frei werdende Energie = – 2875 kJ/Mol
ANAEROBER ABBAUC6H12O6 > 3 CO2 + 3 CH4
frei werdende Energie = – 132 kJ/Mol
+ VERBRENNUNG 3 CH4 + 6 O2 > 3 CO2 + 6 H2O
frei werdende Energie = – 2671 kJ/Mol

 Aerober und anaerober Abbau von Zucker und Energiebilanz

 

Über die Ausgestaltung des technischen Verfahrens werden in Kenntnis der natürlichen Prozesse die Rahmenbedingungen für ein möglichst effizientes Erreichen der Zielgröße, des anwendungsfertigen Komposts, geschaffen.
Im Zuge des Prozesses wird die in den Abfallstoffen enthaltene organische Substanz von aeroben Mikroorganismen unter Sauerstoffaufnahme als Energie- und Nährstoffquelle verwertet. Dabei wird ein Teil des Kohlenstoffs in der Zellsubstanz der Mikroorganismen (Mikrobielle Biomasse) festgelegt und ein anderer Teil als Kohlendioxid freigesetzt. Eiweiß, Kohlenhydrate und Fette werden hydrolysiert. Die Hydrolyseprodukte (Monosaccharide aus Kohlehydraten, Peptide und Aminosäuren aus Eiweißstoffen und phenolische Bausteine aus aromatischen Zellwandbestandteilen) werden teilweise zu organischen Säuren, d.s. Essigsäure, Buttersäure, Valeriansäure, Propionsäure, und Kohlendioxid, letzteres unter Abgabe von Wärme, umgebaut. Unter aeroben Bedingungen entsteht dabei ein erheblicher Kohlenstoffverlust.
Anschließend kommt es zum Aufbau mikroorganismeneigener Eiweißstoffe, aber auch zur direkten Bildung von CO2, Wasser und – in Abhängigkeit vom pH-Wert und Stickstoffgehalt – Ammoniak bzw. Ammonium.
Bei ausreichendem Sauerstoffangebot wird in der späteren Rottephase bei gemäßigten Temperaturen Ammonium über Nitrit zu Nitrat oxidiert.
Der Sauerstoffbedarf und die Sauerstoffverteilung im Rottekörper hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab.

Die wesentlichen sind:

  • die Art des biogenen Abfallstoffs, also dessen Zusammensetzung der organischen Substanz
  • der aktuelle Abbauzustand
  • der Wassergehalt bzw. die für einen intensiven Gasaustausch zur Verfügung stehende, mit einem Wasserfilm benetzte Oberfläche
  • die anteilige Größe und Stabilität des luftführenden Porenvolumens
  • die Geometrie des Rottekörpers (Miete)

Übersicht zur stufenweisen Mineralisierung der Ausgangssubstanzen und der Stoffwechselprodukte.

Abb: Stufen der Mineralisierung der biogenen Ausgangssubstanzen durch den mikrobiellen Abbau (aus Binner, 2002)

Stufen der Mineralisierung der biogenen Ausgangssubstanzen durch den mikrobiellen Abbau (aus Binner, 2002)

 

Die freiwerdende Emissionen und Energie verdeutlichen das Erfordernis einer fachgerechten Rottesteuerung – Stufen der Mineralisierung der biogenen Ausgangssubstanzen durch den mikrobiellen Abbau (aus Binner, 2002)

Der in der Bodenbildung selbstverständlich ablaufende Prozess der Stoffumwandlung bedarf aufgrund der Anhäufung der organischen Ausgangsstoffe, deren unzureichender Struktur, oder unserer Zeitvorgabe verfahrenstechnischer Hilfsmittel, um den überwiegend aerob ablaufenden Rotteprozess überhaupt zu ermöglichen bzw. ihn zu optimieren.
Streng genommen beschränkt sich die Einflussmöglichkeit im Wesentlichen auf die Abbauphase der primären organischen Ausgangssubstanzen. Der anschließende Prozess der Humusbildung ist verfahrenstechnisch nur bedingt beeinflussbar.

Die Intensität des Abbaus während der exothermen Intensiv- oder Hauptrotte hängt wesentlich von der mikrobiellen Verfügbarkeit der Ausgangssubstanzen ab. Unterschieden werden leicht und schwer abbaubare organische Substanzen. Beim Abbau der organischen Substanz durch Mikroorganismen kommt es in Abhängigkeit von der Intensität der Abbauvorgänge und vom Volumen der Biomasse zu einer Erhöhung der Milieutemperatur („Selbsterwärmung“). In der Kompostierung biogener Abfälle aus dem Küchen- und Nahrungsmittelbereich ist diese Selbsterwärmung aus zwei Gründen erwünscht. Zum ersten kommt es zu einer Änderung der Mikroorganismenpopulation und damit zu einem beschleunigten Abbau.
Zum zweiten kommt es neben antibiotischen Effekten v.a. durch pilzliche Stoffwechselprodukte auch zu einer thermischen Inaktivierung potenziell pathogener Keime. Hierfür müssen Temperaturen von zumindest 55 °C über einen bestimmten Zeitraum auf die aktive Mikroflora einwirken.

Die nachstehende Abbildung charakterisiert die sukzessiv ablaufenden Ab- und Umbauleistungen während der Kompostierung.

 

 

Abb.: Stoffumsatzleistungen im Verlauf der Kompostierung (nach Grabbe & Schuchardt, 1993

Stoffumsatzleistungen im Verlauf der Kompostierung (nach Grabbe & Schuchardt, 1993

 

 

 

Es wird zwischen drei Temperaturbereichen unterschieden, die das jeweils vorherrschende mikrobielle Artenspektrum bedingen:

  • psychrophiler Bereich -4 – 20 °C Bakterien und Schimmelpilze
  • mesophiler Bereich 15 – 42 °C Bakterien und Actinomyceten
  • thermophiler Bereich 45 – 75 °C Bakterien und mesophile bis thermotolerante Pilzsporen

Ab 75 °C beginnt die Denaturierung des Eiweißes, so dass die biologischen Prozesse bei der Kompostierung in diesem Temperaturbereich zum Erliegen kommen, auch wenn im wässrigen Medium Umsetzungsvorgänge bei höheren Temperaturen bekannt sind (extrem thermophile Mikroorganismen) (Hupe et al o.J.).
Die in der Startphase des Rotteprozesses vorhandenen mesophilen und hermotoleranten/ thermophilen Pilze stellen zwischen 60°C und 70°C ihre Abbautätigkeit ein. Die folgende Rottephase mit Temperaturen von zum Teil deutlich mehr als 60/65°C wird von thermophilen Bakterien dominiert. Auch thermophile Actinomyceten treten auf. Im Zuge der Umwandlung der primären organischen Ausgangssubstanzen werden vorerst nur intermediäre Stoffwechselprodukte unter Energiefreisetzung gebildet, wir sprechen daher von einem Abbauprozess.

Sobald die Temperaturen unter 60°C absinken, entwickelt sich in Abhängigkeit vom Substrat eine aus Bakterien, Actinomyceten und Pilzen bestehende Mischpopulation. Erst wenn der mikrobielle Abbauprozess soweit fortgeschritten ist, dass die erwähnten reaktionsfähigen Spaltprodukte vorliegen, können in der Folge unter Energiebindung sekundäre stabile Huminstoffe, also neue organische Verbindungen, entstehen. In weiterer Folge bilden sich mit Tonmineralen organomineralische Komplexe – es entsteht ein nur mehr schwer bzw. langfristig mineralisierbarer Dauerhumus.
Das Auftreten von größeren Schimmelnestern oder –zonen weist in der Regel auf eine schlechte Homogenisierung der unterschiedlichen Materialgruppen, uneinheitliche Feuchtigkeitsverhältnisse oder eine unzulässige nachträgliche Zumischung von Rohstoffen hin. Dies verhindert eine einheitliche Kompostqualität auch zum Abschluss der Rotte und entspricht nicht einem Qualitätsmanagement für die Rotteführung, wie es nach dem Stand der Technik zu fordern ist.
Für die drei wesentlichen Anforderungen an den Rotteprozess selbst: Hygienisierung, Abbau der organischen Masse und maximale mikrobielle Vielfalt können folgende Temperatur-Optima angegeben werden:

 

Optimale Temperaturbereiche nach verschiedenen Anforderungen an den Rotteprozess

 

 

ProzessanforderungTemperaturbereich
Hygienisierung> 55°C
Abbaurate; beginnender Ligninabbau / Humifizierung45 - 55°C
mikrobielle Vielfalt + Abbau der mikrobiellen Biomasse, Ligninabbau/Humifizierung35 - 40°C

 

Für die Temperatursteuerung gelten folgende Grundsätze:

  • Die Selbsterwärmung führt bei Vorhandensein von ausreichend reaktiven organischen Ausgangsmaterialien und deren homogenen Durchmischung zu den für eine thermische Hygienisierung erforderlichen Temperaturen von über 55 °C. Um den thermischen Hygienisierungseffekt zu gewährleisten, ist entsprechend den verfahrensbedingten Rahmenbedingungen darauf zu achten, dass diese Mindesttemperatur über den erforderlichen Zeitraum das gesamte Material erfasst (Mindestanforderungen Temperatur/Zeit Regime).
  • Nach dieser Phase sollte das Material so rasch wie möglich durch Belüftungs-, Lockerungs- und Bewässerungsmaßnahmen unter 50 – 55 °C gehalten werden, um einen zügigen Ab- und Umbau sowie eine rasche Humifizierung und Komplexbildung (Stabilisierung zu Ton- Humuskomplexen) zu erzielen.
  • Für Materialien, die aufgrund ihrer Herkunft und der nachfolgenden Verwendung rechtlich gesehen nicht verpflichtend thermisch hygienisiert werden müssen – zB Strauch- und Baumschnitt, Laub, Mähgut, Ernterückstände oder Festmist bei Herkunft aus und Verwendung in dem eigenen Betrieb oder Haushalt – wäre eine definitive Heißrottephase nicht erforderlich (zB bei dem Verfahren Wurmkompostierung mit Temperaturbereichen < 40 °C). Um das Überleben von Pflanzenkrankheiten erregenden Keimen hintan zu halten, ist in diesem Fall – insbesondere im landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Bereich – darauf zu achten, dass durch eine homogene Einmischung der Materialien, mehrmaliges Umsetzen und eine entsprechende Kompostierungsdauer ein hohes Maß an biologischer Stabilisierung (Ausreifung) des gesamten Rotteguts erreicht wird.